Gregor Groß kam im Jahre des Herrn 1973 zur Welt, kurze Zeit nach dem Tode Bruce Lees. Ob es dabei wirklich zu einer Seelenwanderung kam, ist bis heute ungeklärt. Keine vierunddreißig Jahre später jedenfalls führte ihn sein Weg über einen asiatischen Zwischenstopp nach Brisbane, Australien, wo er Vertrauen in seine kreativen Problemlösungs-Fähigkeiten fasste. Seitdem interessiert sich Gregor für Kreativität (darüber bloggt er auf denkpass.de) und dafür, wie man Aufgaben richtig organisiert und delegiert, ohne die Kreativität seiner Mitarbeiter zu behindern. Über dies und ähnliche Themen bloggt er auf imgriff.com. Ansonsten versucht Gregor, tagsüber möglichst viel zu lächeln und dabei kompetent zu wirken, prokrastiniert am liebsten mit Baseballstatistiken und Tageszeitungen und bildet sich Gottweisswas auf seinen Risotto ein. Sonntagmorgens, wenn ihn seine Söhne um 5:32 Uhr unsanft wecken, wünscht er sich ein Zeitmanagement, das ihm Zeit zum Schlafen verschafft. Gregor liest viel und kann sich auch sehr viel Gelesenes merken, was seine Partygäste oft dazu verleitet, bei Parties gleich mit Kopfhörern zu erscheinen. Seine Bücher sind quer über alle Bereiche verteilt, wobei SciFi eine etwas größere Rolle spielt.
Ein sehr guter Artikel darüber, wie wir lesen sollten, findet sich auf dem Blog des New York Review of Books: A Weapon for Readers. Darin argumentiert Tim Parks, dass wir beim Lesen von Büchern (aus Papier) immer einen Stift in der Hand haben sollten, um pro Seite mindestens vier Kommentare zu hinterlassen.
Das würde dazu führen, dass wir kritischer sind und aufmerksamer. Wir könnten Jahre später nachvollziehen, welche Position wir damals beim Lesen im Bezug zum Text hatten. Uns fallen mehr Dinge auf, weil wir sie bewusst kennzeichnen (und bleiben uns auch länger in Erinnerung).
Nun haben wir alle Hemmungen, das zu tun: in unseren Büchern rumkritzeln. Aber die meisten Bücher, die wir besitzen, werden niemals wertvoll - sie sind keine seltenen Erstausgaben etc. Wir sollten Bücher schützen aus Bibliotheken oder der Schule (falls die dort auch von der nächsten Klasse genutzt werden), ansonsten können wir da aber ruhig rein zeichnen, kommentieren, unterstreichen etc.
Das hatte übrigens auch Umberto Eco gesagt, in einem seiner Bücher über das Anfertigen wissenschaftlicher Arbeiten. Damals habe ich das auch gemacht - aber wieder vergessen.
Übrigens: Kommentare in Online-Texten sind was anderes als Bleistift-Anmerkungen in Deinen eigenen Büchern. Die Bleistift-Anmerkungen sind für Dich. Die Online-Kommentare sind eher selten für Dich allein - es geht auch darum, allen anderen zu zeigen, wie toll man ist. Das ist also kein Äquivalent.
Ich habe mir gerade einen passenden Stift ausgesucht und fange wieder damit an: beim Lesen zu kommentieren.
Antonia Nelson, Primum non nocere, in: New Yorker, Nov 10 2014
Die Liste der Romane, die ich im Oktober las, ist nicht besonders lang (enthält aber viele Seiten):
Die vierzig Tage des Musa Dagh - Franz Werfel
Nur die ersten beiden habe ich ausgelesen, an dem Buch von Werfel arbeite ich noch. Mehr über meine Beurteilung dieser Bücher auf meinem eigentlichen Blog.
Kurzer Bericht darüber, wie sehr alte Bücher im Laufe der Geschichte zerstört wurden - und von wem!
Destroying medieval books and why that's useful!
Auf dem Blog Letters of Note gibt's einen Brief von Aldous Huxley (Autor von Brave New World) an George Orwell (Autor von 1984):
Wrighttwood. Cal.
21 October, 1949
Dear Mr. Orwell,
It was very kind of you to tell your publishers to send me a copy of your book. It arrived as I was in the midst of a piece of work that required much reading and consulting of references; and since poor sight makes it necessary for me to ration my reading, I had to wait a long time before being able to embark on Nineteen Eighty-Four.
Agreeing with all that the critics have written of it, I need not tell you, yet once more, how fine and how profoundly important the book is. May I speak instead of the thing with which the book deals — the ultimate revolution? The first hints of a philosophy of the ultimate revolution — the revolution which lies beyond politics and economics, and which aims at total subversion of the individual's psychology and physiology — are to be found in the Marquis de Sade, who regarded himself as the continuator, the consummator, of Robespierre and Babeuf. The philosophy of the ruling minority in Nineteen Eighty-Four is a sadism which has been carried to its logical conclusion by going beyond sex and denying it. Whether in actual fact the policy of the boot-on-the-face can go on indefinitely seems doubtful. My own belief is that the ruling oligarchy will find less arduous and wasteful ways of governing and of satisfying its lust for power, and these ways will resemble those which I described in Brave New World. I have had occasion recently to look into the history of animal magnetism and hypnotism, and have been greatly struck by the way in which, for a hundred and fifty years, the world has refused to take serious cognizance of the discoveries of Mesmer, Braid, Esdaile, and the rest.
Partly because of the prevailing materialism and partly because of prevailing respectability, nineteenth-century philosophers and men of science were not willing to investigate the odder facts of psychology for practical men, such as politicians, soldiers and policemen, to apply in the field of government. Thanks to the voluntary ignorance of our fathers, the advent of the ultimate revolution was delayed for five or six generations. Another lucky accident was Freud's inability to hypnotize successfully and his consequent disparagement of hypnotism. This delayed the general application of hypnotism to psychiatry for at least forty years. But now psycho-analysis is being combined with hypnosis; and hypnosis has been made easy and indefinitely extensible through the use of barbiturates, which induce a hypnoid and suggestible state in even the most recalcitrant subjects.
Within the next generation I believe that the world's rulers will discover that infant conditioning and narco-hypnosis are more efficient, as instruments of government, than clubs and prisons, and that the lust for power can be just as completely satisfied by suggesting people into loving their servitude as by flogging and kicking them into obedience. In other words, I feel that the nightmare of Nineteen Eighty-Four is destined to modulate into the nightmare of a world having more resemblance to that which I imagined in Brave New World. The change will be brought about as a result of a felt need for increased efficiency. Meanwhile, of course, there may be a large scale biological and atomic war — in which case we shall have nightmares of other and scarcely imaginable kinds.
Thank you once again for the book.
Yours sincerely,
Aldous Huxley
In dieser Reihe großer Dystopien fehlt dann noch Arthur Koestlers Sonnenfinsternis, das ich (wie auch Brave New World) erst vor kurzem las.
Geschafft. 1275 Seiten oder so, in 14 Tagen. Nicht sonderlich schnell, aber da waren einige Tage darunter, in denen ich gar nix oder nur 20-30 Seiten las. Am Ende waren es 150-200 pro Tag und ein Wettlauf um freizuschaufelnde Zeit.
Die Arena von Stephen King ist ein "üppig mit Personen ausgestatteter Roman", wie King im Nachwort selber sagt. Das ist die große Stärke von Stephen King, eine komplette Kleinstadt so atmosphärisch dicht zu erschaffen und mit allen Leuten, die zu einer Kleinstadt gehören, zum Leben zu erwecken. Grandios, wie gut er das kann.
Die Story selber dürfte ungefähr bekannt sein: eines Tages entsteht rund um eine Kleinstadt eine energetische Barriere, eine Kuppel. Und schnurstracks versinkt Chester's Mill in einem durch einen machtgierigen, selbstgerechten Stadtverordneten verursachten, beispiellosen Chaos. Innerhalb von nur wenigen Tagen rutscht die ansonsten völlig normale amerikanische Gemeinde ganz tief herab: Menschen werden ermordet, bringen sich aus Verzweiflung selber um, entdecken die dunkle Seite in sich. Es geht um Mitleid, und ob wir Menschen es empfinden können.
Ich liebe postapokalyptische Settings. Dies hier ist eins, auch wenn die Apokalypse nur in diesem einen Ort statt fand. Aber der ist durch die Kuppel zu seiner eigenen Welt geworden, und so ist dies ein Roman darüber, wie wir Menschen uns verhalten, wenn die Zivilisation am Ende ist - die guten, alten Friss-oder-Stirb-Zeiten. Wenn der Mensch des Menschen Wolf ist.
Ich überlege jetzt, aber eigentlich brauch ich das nicht. Die Arena hat 5 von 5 Punkten verdient - kein literarischer Meilenstein, aber dafür lesenswert wie nicht viele andere Bücher. Das ist für mich ein genauso bedeutendes Kriterium wie literarisch wertvoll. Lesenswert heisst für mich, ich will wissen, wie es weiter geht. Das wollte ich.
5 von 5 Punkten: Ihr müsst das lesen, glaubt's mir!
Was ich im September 2014 gelesen habe, könnt ihr auf meinem anderen Blog lesen: Denkpass.de - Bücher im September. Mit dabei waren:
Mit sechs Büchern kann ich gut leben pro Monat. Wenn da so gute Bücher drunter sind wie in diesem Monat, noch viel mehr.
Einer meiner Lieblingsautoren war schon immer Kurt Vonnegut. Ich finde, sein Buch Schlachthof 5 ist eins der besten Kriegsbücher, die ich kenne.
Beim Paris Review of Books gibt's ein sehr langes, etwas älteres Interview mit Kurt Vonnegut, in dem er seine Erfahrungen als Kriegsgefangener beschreibt (die eben in Schlachthof 5 mündeten).
Heute fertig geworden mit Outpost von Adam Baker, einem wie bei Baker immer ziemlich zum Seitenwenden anregenden, kurzweiligen ... sagen wir ... Zombie-Buch, obwohl es das nicht ganz trifft. Ist irgendwie ein Zombie-Buch mit James Rollins/Michael Crichton-Ansätzen, aber deutlich düsterer als die beiden das jemals geschafft haben. War wirklich gut.
Trotzdem stand ich jetzt beinahe eine Stunde ratlos vor meinem Bücherschrank und wusste nicht, was ich als nächstes lesen wollte. Den nächsten Teil von Baker ("Terminus") wollte ich nicht, auch wenn die Teile bei Baker nur lose zusammen hängen - eigentlich nichts weiter sind als äußerst verschiedene Perspektiven auf dieselbe Apokalypse. Das hebe ich mir auf, weil es mehr als OK war. Ich will nicht, dass die Teile untereinander in meiner Erinnerung verwischen. Außerdem lese ich verschiedene Teile von irgendwelchen Serien nur hintereinander, wenn sie wirklich außergewöhnlich lesenswert sind. Tad Williams schafft das regelmässig bei mir.
Was also nun? Mir liegt immer viel am Genre-Sprung: auch das aus Angst, dass Bücher aus demselben Genre, die ich direkt nacheinander lese, untereinander verschmieren, wenn ich auf die Geschichten in meinem Kopf (und ihre Wirkung auf mich) zurück blicke. Also kein Zombie, also ginge erstmal SciFi. Das läuft bei mir immer gut, aber leider auch so gut, dass ich Angst habe, die meisten richtig guten Bücher bald hinter mir zu haben (es gibt viele, aber nicht unendlich viele richtig gute).
Trotzdem lag Human Division von John Scalzi schon in meiner Hand, ging dann aber wieder zurück in den Schrank. Dann fing ich an zu überlegen. Meine verschiedenen Algorithmen für die Wahl des nächsten Buches fingen an, vor sich hin zu rattern:
So hatte ich dann "Willkommen in Melville" von TC Boyle in der Auswahl. Oder "Union Atlantic" von Adam Haslett. Dann kurz ein Buch von Neal Stephenson (Anathema), und "Als ich im Sterben lag" von William Faulk. Kurzer Blick auf die 3-4 ungelesenen Bücher von Sjöwall/Wahlöo, die hier noch warten. Aus SciFi dann doch "Neverness" David Zindell und "Die fliegenden Städte" von James Blish sowie ziemlich lange "In die Dunkelheit" von Evan Currie. "Die Entdeckung des Himmels" von Harry Mulisch hatte schon fast gewonnen.
Letzten Endes fragte ich mich, wenn ich nur ein Buch noch lesen könnte, welches sollte es sein. Das liess alle genannten Bücher irgendwie ausscheiden, auch wenn ich mich partout nicht festlegen konnte, welches Buch das denn nun sein sollte. Jedenfalls waren alle vorherigen Gedankengänge genullt, ich konnte von vorne anfangen - und landete auf einmal bei Die Arena von Stephen King.
Das ist sicherlich nicht das letzte Buch, das ich lesen will. Das hatte damit irgendwie nichts zu tun. Aber ich musste mir diese schwerwiegende Frage stellen, um Platz zu schaffen, ein Vakuum in meinem Hirn, das mir erst die Freiheit gab, nach nunmehr 20 Jahren wieder einen King in die Hand zu nehmen.
Ich bin gespannt.