Das verrückte Kind aus dem hohlen Baum: Roman - Boualem Sansal
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"Das Kind hob den Kopf zu mir herauf. Zum ersten Mal. Es hatte nie auf etwas anderes geschaut als seinen Baum und ein Stückchen Hof und war nur mit dem Streuner und dessen Ungeziefer in Berührung gekommen. Ich war bewegt, ich erwartete von seinem Blick eine Enthüllung über den tiefen Sinn des Lebens; ein wenig Sorglosigkeit auch, die hatte ich nötig. Ich bekam einen elektrischen Schlag und fiel rückwärts um. Ich war entsetzt, unter der Sohle des Abgrundes tat sich ein weiterer Abgrund auf. Ich fiel auf die Knie, legte die Stirn auf den Boden, die Niederwerfung war das einzig Statthafte in diesem unwirklichen und schmerzlichen Augenblick, und ich brach in Tränen aus:

Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name, er sei ein glühendes Eisen für diese Leute, Dein Reich komme, doch niemals für sie, Dein Will geschehe im Himmel wie auf Erden und zermalme sie wie Wanzen, mögen sie niemals von unserem täglich Brot kosten! Ah, Gott, vergib uns, sie haben uns so viel angetan, dass selbst Deine unendliche Macht uns nicht beugen könnte: Niemals werden wir ihnen vergeben! Bewahre uns vor ihnen, mit dem Bösen werden wir fertig durch unsere Gebete und Gesänge. Wir hatten nur dieses Leben voller Umherirren und Armut, sie haben es uns genommen. Reiße ihnen das Herz aus dem Leib! Amen... Gott, wo bist Du? Wo sind wir? Ist das möglich? Ich wollte nichts mehr, nur sterben.

Das Kind hatte keine Augen."